Pressemitteilung des Echo-Online, Ginsheim-Gustavsburg  (03/14)

Die Bösartigkeit der Tenöre

Musik – Das „Tenor Badness Quintett“ versetzt die Zuhörer in einen Jazzclub im Manhattan der fünfziger Jahre

Das „Tenor Badness Quintett“ in den Burg-Lichtspielen.  Foto: Jan Stich

In der Reihe „Jazz im Kino“ spielte vor einigen Tagen das „Tenor Badness Quintett“ Bebop und Hardbop in den Burg-Lichtspielen. Über zwei Stunden lang gab es duellierende Saxofone, heiße Rhythmen und coole Grooves.

GUSTAVSBURG.

Tenor Badness“: Übersetzt sind das nicht die drei Tenöre, sondern die Bösartigkeit der Tenöre. Der Bandname spielt auf die Tenor-Saxofonisten Axel Schmitt und Johannes Lind an, die der Gruppe vorstehen und auch den Ton angeben. Außerdem ist es wohl eine augenzwinkernde Hommage an Sonny Rollins Album „Tenor Madness“ von 1956, auf dem ebenfalls zwei Tenorsaxofone, Kontrabass, Klavier und Schlagzeug zu hören sind.

Den Jazz der fünfziger Jahre hatte sich das „Tenor Badness Quintett“ zum Vorbild genommen. Mit schicken Anzügen und Krawatten waren die Musiker zwar so kreuzbrav gekleidet wie Versicherungsvertreter bei der ersten Kommunion, dafür aber spielten sie deutlich verwegener. Wie Sonny Rollins auch hatten sie sich dem Hard-Bop verschrieben. Anders als beim Hard-Rock ist der Hard-Bop nicht unbedingt eine schnellere und lautere Version des an sich schon sehr schnellen und lauten (Be)bop. Hard-Bop ist die etwas entspanntere Variante, die statt verrückten Fiep- und Quietschsolos Elemente aus dem Soul und Blues aufnimmt und stärker auf eingängige Melodien setzt.

Stücke vom „schnellsten Saxofonisten der Welt“

Das sorgte dafür, dass es mit bösartigen Tenören nie so richtig langweilig wurde. Von der schwebend schönen Ballade „Polka Dots and Moon Beams“ bis zu Stücken von Johnny Griffin, dem seinerzeit „schnellsten Saxofonisten der Welt“, war alles dabei. Und mit „The Shadow of your Smile“ und „Baubles, Bangles and Beads“ hatten sich gar zwei richtige Bossa-Nova in der Setliste versteckt.

Abwechslungsreichtum wird bei dem Quintett groß geschrieben. Im Gegensatz zu manchen Kollegen prügelte Schlagzeuger Bastian Rossmann nicht einfach zwei Stunden lang mehr oder weniger den selben Beat durch. Basser Friedrich Betz verzierte seine stampfenden Basslinien und ließ die Saiten an den richtigen Stellen schnarren und knallen. Und der Auftritt von Pianist Wilfried Sarajski klang nicht nur beeindruckend: Es sah auch beeindruckend aus, denn er meisterte den kompletten Auftritt im Blindflug ohne Noten oder sonstige Notizen.

Doch so solide und schön diese Rhythmusgruppe auch arbeitete: Im Mittelpunkt standen immer ganz klar die beiden Saxofonisten. Es war eine Freude, ihnen dabei zuzuhören, wie sie sich ihre musikalischen Einfälle wie Spielbälle hin- und herwarfen und jeden Song mit bunten und stimmungsvollen Solos veredelten. Nach zwei Stunden war man sich nicht mehr sicher, ob man noch im Gustavsburg des Jahres 2014 war oder ob die Zeitmaschine auf der Bühne einen gerade in einen Jazzclub ins Manhattan der fünfziger Jahre verfrachtet hatte.

Knapp 60 Jazzfreunde gaben nicht nur nach den Liedern, sondern auch für manch gelungenes Solo viel Applaus. Da soll noch einmal jemand sagen, die Leute heute wollten nur noch poppigen Swing-Schmusejazz à la Diana Krall hören.

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